FOR SALE: BABY SHOES, NEVER WORN. 10 $.
„For sale: baby shoes, never worn. 10 $“
(… vom Geschichten erzählen!)
Im Werber-Denglisch heisst Geschichten erzählen „Storytelling“. Und? Ist das der nächste heisse Marketingsche1ß? Nö. Ist es ein alter Hut? Auf keinen Fall! Storytelling ist seit seinen Ursprüngen von abendlichen Erfahrungstransfers am steinzeitlichen Lagerfeuer der Superlangzeiterfolg und die wissenschaftlich belegt beste Technik in der Vermittlung von Information.
Es ist nun wirklich kein Geheimnis, dass jede stumpfe Aneinanderreihung von trockenen Fakten und nüchternen Zahlen selbst den gutmütigsten und willigsten Zuhörer eher früher als später sedieren wird. Eingepackt in eine gut pointierte Geschichte, lassen sich die mitunter entscheidenden Details erheblich leichter verdauen, werden merkfähig und machen am Ende vielleicht auch noch Spaß. Man erzählt das gerne weiter. Oder „teilt es“ in Zeiten von social media. Wie auch immer. So wird die Nummer „word of mouth. Oder „Mund zu Mund“ nach Volkes Stimme. Ziel erreicht, denn so entstehen nachhaltige Erfolge.
Ob Branchensuperstars wie die Werberikone David Ogilvy oder die inflationäre Bande der Selbstvermarktungscoaches mit ihren oft zusammengeklauten Formeln und Checklisten: unzählige Experten und solche, die sich dafür halten, predigten und predigen im klassischen Narrativ der „Heldenreise“, deren Mechanik durch den Mythologienforscher Joseph Campbell in seinen Standardwerken verewigt wurde. Alle großen Geschichten entstanden und entstehen nach diesem Schema und es gibt keinen einzigen Blockbuster, der sich nicht dieses Musters bediente.
Nehmen wir zum Beispiel die Geschichte, wie David Ogilvy selbst mit seinem Storytelling ein Leben zu verbessern vermochte. Eine Geschichte, die es inzwischen mit unterschiedlichsten Protagonisten an ganz unterschiedlichen Orten in unzähligen Sprachen gibt:
Nach der Legende traf David Ogilvy auf seinem Arbeitsweg in die New Yorker Agentur auf einen blinden Bettler, der in der morgendlichen Frische des jungen Frühlingstages vor der Grand Central auf dem Bordstein kauerte. In seinem Hut lagen nur wenige kleine Münzen und auf einem Karton davor stand schlicht: „ich bin blind.“
Der Werbetexter Ogilvy kramte in seinen Taschen, ohne darin Kleingeld zu finden, mochte sich aber engagieren und so kniete er sich nieder und fragte darum, die Bitte auf dem Pappschild verändern zu dürfen, was ihm der Bettler mürrisch gestattete. Der hätte sich zwar über ein paar Cent sichtlich mehr gefreut, wollte aber auch nicht zu unhöflich erscheinen und ließ den Marketingmann gewähren. Zufrieden mit seinem Werk, verabschiedete sich dieser, um seinen Weg fortzusetzen.
Als er am selben Abend wieder auf denselben Bettler traf, war dessen Hut in den letzten Stunden mehrfach randvoll mit Kleingeld gefüllt worden. Der Blinde konnte sein Glück kaum fassen und wollte aufgeregt von Ogilvy unbedingt erfahren, was dieser denn nun auf die Pappe geschrieben hatte, die so zuverlässig als Münzenmagnet funktionierte. Der nahm das Schild in die Hand und las: „Es ist Frühling, die Sonne scheint, die Blumen blühen und ich kann nicht sehen.“
Dass diese nachträglich modifizierte Story aus dem Gedicht „On my Mother’s Blindness“ des amerikanischen Schriftstellers David Kirby stammte, der sich ehrlicherweise auf seine Quelle, eine Miniatur des französischen Autors Jacques Prévert aus den frühen fünfziger Jahren bezieht, tut der Qualität keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Dass die Geschichte auch nach siebzig Jahren noch so ausgezeichnet funktioniert, weitererzählt und geklaut wird dokumentiert nur, wie gut sich Dinge vermitteln lassen, wenn man sie nur in große Emotionen verpackt.
Und das geht in kurz und knapp:
„For sale: baby shoes, never worn.“
Hemingway wettete mit Schriftstellerkollegen um 10 Dollar, dass er in der Lage sei, eine hochemotionale Geschichte in nur sechs Worte zu fassen. „Flash Fiction“ ist der terminus technicus und wer die ganze Nummer hören will, ruft mich an: 0671.79083010
Wann erzählen wir Deine Geschichte?
Bruno
schulzundtebbe
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