MACH‘S DIR SELBST!

„Ein Dilettant hat es geschrieben,

Und Dilettanten spielen's auch.

Verzeiht, ihr Herrn, wenn ich verschwinde;

Mich dilettiert's, den Vorhang aufzuziehn.“

Johann Wolfgang von Goethe

Die sozialen Medien werden derzeit geflutet von einer seltsamen Videorrhoe: die Drückerwerber scheinen also das Thema „Förderung“ als Hebel ihrer Beutezüge durch die Welt der KMUs entdeckt zu haben. Zahllose dieser Anbieter penetrieren und überrumpeln inzwischen so deckungsgleich wie schamlos ihre meist themenfernen, unvorbereiteten Unternehmeropfer aus dem inhabergeführten Mittelstand, aus dem Handwerk, den freien und grünen Berufen.

Faktisch erklären Ali Baba und seine vierzig Räuber den Unternehmern also, ihre Marketingkosten einzufrieren, um ein paar „halbmotivierte“ Mitarbeiter mit Onlinedaddelei zu bespaßen. Nichts gegen Teambuildingmaßnahmen, nichts gegen das Abschneiden unwirksamer Agenturleistungen, aber ist es wirklich sinnvoll, Hoffnung genau dort zu suchen, wo sie längst gefahren und entwichen ist, anstatt den Raum endlich mal kräftig durchzulüften?

Ja, es wäre tatsächlich begrüßenswert, wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter qualifizierten, Einblicke in ihre verbliebenen Kommunikationskanäle zu erhalten und die Tools kennenzulernen, diese zu handlen und zu bewerten. Aber ist es tatsächlich glaubwürdig, Leuten einen VHS-Onlinekurs „Seidenmalerei“ zu verhökern, um sie damit als professionelle Restaurateure zu deklarieren und in die öffentlichen Museen dieser Welt zu entlassen? Nicht jeder, der einen Schraubenschlüssel halten kann, eignet sich als Raumfahrtingenieur und nicht alle, die ihr Schweineschnitzel mit scharfem Schwert sauber zu durchtrennen vermögen, empfehlen sich mit dieser Kompetenz zwangsläufig für die Neurochirurgie. Jedenfalls nicht als Behandelnde.

Was ich damit sagen will? Es kann sicher nie schaden, sich ein gerüttelt Maß an Überblick zu verschaffen, um sinnvoll mitreden und mitgestalten zu können. Es ist allerdings womöglich weniger sinnvoll, die Leute glauben machen zu wollen, sie könnten alles selbst erledigen, es bedürfe ja nur an Mut und nicht an Sachenntnis und Erfahrung.

Das Dilemma der „Kommunikation“ ist, dass jeder irgendwie kommuniziert und darum meint, überall mitreden zu können. Es ist wie beim Kochen, wo einem die Begabung zur Verarbeitung einer Sättigungsdose Ravioli nicht automatisch die höheren Weihen eines gehobenen Fine-Dinings verleiht.

Die grundlegende Frage in der professionellen Social-Media-Kommunikation lautet immer: „wer sagt wem was, wann, wo, wie und warum und was soll der für ihn tun?“

Bleiben wir doch gleich beim „wer“? Wie soll der Unternehmer ein halbwegs adäquates Beschulungsformat auswählen, wenn alle Anbieter gleich aussehen und dieselben Hohlformeln austragen? Ich will jetzt hier nicht mit „branded content“ und ähnlichem Gedöns herumnerven.

Seit 60 Jahren kommuniziere ich inzwischen und beschäftige mich halbwegs professionell mit Kommunikation seit bald 40 Jahren. Immerhin. Ich liebe es, mich zu äußern, eigene Ideen, Gedanken und regelmäßig auch meinen Senf beizutragen. Manche nennen es Exhibitionismus, Laberzwang, Logorrhoe, andere Freude am Mitteilen, am Ausdruck und am Austausch. Despektierlich oder nicht, ganz egal, das alles bezeichnet den Antrieb und die Lust, sich im besten Sinne zu veröffentlichen.

„Für Künstler ist das größte Problem,

das es zu lösen gilt, sich im Blickfeld

der Öffentlichkeit zu platzieren.“

Das hat Honoré de Balzac geschrieben und es gilt nicht nur für Künstler, sondern für alle, die etwas unternehmen und bewegen wollen und für ihre Entwicklung und ihren Erfolg „gesehen“ werden müssen. Und nein es spricht sich nichts von allein herum. Schon gar nicht in Deutschland.

Neben dem Können, bedarf es vor allem auch des Wollens. Ich habe kürzlich gelesen: "Machen ist wie Wollen - nur krasser.“ Das stammt vom Macher Christoph Krause und damit hat er auch recht. Doch ohne Wollen ist alles nichts.

Bevor Ihr Eure Mitarbeiter also zum „Unternehmenssprachrohr“ macht, fragt diese mal, ob sie das auch wirklich wollen. Und fragt Sie auch nach den letzten 3 Ideen, die diese Mitarbeiter in den Erfolg Eures Ladens einbringen mochten. Also, „mehr Urlaubstage“, „Homeoffice“ und ähnliches mal ausgenommen.

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“BROT”

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"Bullshit in - Bullshit out".