Niemand will Weinkönigin sein.
Weinkönigin also.
Der deutsche Weinmarkt steht vor immensen Herausforderungen. Absatz und Konsum von Wein, insbesondere deutschem Wein, sind stark rückläufig, während die Produktionskosten steigen. Das führt zu sinkenden Umsätzen und wirkt auf viele Weingüter existenzbedrohend.
Der Weinkonsum in Deutschland sinkt, wobei auch die Zahl der Haushalte, die Wein kaufen, immer weiter abnimmt. Sowohl der Absatz als auch der Umsatz deutscher Weine fallen immer weiter jeweils im Vergleich zum Vorjahr. Die Preise für Wein, insbesondere für deutsche Weine, sind gestiegen und müssen das auch, was bei der derzeitigen Konjunktur allerdings für zu einer weiteren Kaufzurückhaltung führt. Die Winzer sehen sich mit steigenden Produktionskosten konfrontiert, die sie nicht vollständig am Markt realisieren können. Ausländische Weine, insbesondere aus Italien, gewinnen Marktanteile hinzu, während deutsche Weine Marktanteile verlieren. Wetterkapriolen, wie späte Fröste, können zu Ernteausfällen führen und die Situation zusätzlich verschärfen.
Während alle anderen Vertriebswege deutliche Einbußen verzeichnen, zeigt die Direktvermarktung der Weingüter erheblich geringere Einbußen und könnte als stabilisierender Faktor dienen.
Allerdings bedeutet Direktvermarktung für den Winzer heute nicht mehr, einfach zuhause zu warten, bis der Kunde mit dem Auto vorfährt, für 1.000,- Euro Wein einlädt, um sich gleich schon wieder treu und verbindlich für den Herbst anzumelden zum nachzufassen. Von wegen Planungssicherheit. Nicht wenige Winzer schmollen und kommen kaum darüber hinweg, dass die Sache mit der Holschuld durch den Konsumenten endgültig erledigt zu sein scheint.
Das DWI und die Hochschule Geisenheim halluzinieren von einer Digitalisierung der Winzer, was auch den Entwicklungen des Marktes Rechnung tragen würde. 24% der Kunden deutschen Weins suchten das Produkt ihres Verlangens in einem Winzershop, oder gleich direkt ab Hof. Was das DWI und Geisenheim nicht erwähnen ist, dass der Winzer erst einmal gefunden werden will. Und zwar jenseits der üblichen lokalen Konsumenten und der überalternden Bestandskundschaft aus Omas handgeschriebenem Telefonbuch. Multichannel heißt das Zauberwort. Das kann man von einem Winzer nicht erwarten? Das stimmt, aber ich kann ja auch keine Weine selbst machen, keine Zähne ziehen oder Gaszentrifugen zusammenbauen. In solchen Fällen muss man sich Hilfe suchen. Gut, wenn man eine Interessenvertretung hätte, die dabei seriös unterstützt und nicht nur Freunde und Verwandte vermittelt, die sonst keinen ehrbaren Beruf gefunden haben.
Dazu bedürfte es Kommunikation und einer strategischen (Neu-) Kundenqualifikation. Und jetzt sind wir schon mittendrin.
„Weinkönigin“ also. Es wäre wohl die 75. nach Helma Wöllstein aus Meddersheim in der Saison 50/51, Mitte des letzten Jahrhunderts. Was in der Tradition manchem Funktionär, Ehrenmeister, Regionalsenioren und Langzeittrinker ein Tränchen der Rührung abpresst - junge hübsche Dinger mit Drahtkrönchen auf dem ländlichen Haupt - wirkt in unserer medialen Gegenwart wie der ästhetisch entgleiste Weinrömer auf der Theke der Weltraumfahrerkneipe in Mos Eisley auf dem Wüstenplaneten Tatooine. Abgestanden: die Winzertochter, die so wortlos wie ehrenamtlich hübsch sein soll zwischen den verhaltensstarren Produktreaktionären, riecht nach patriarchalen Bestandsphantasien aus dem Vorgestern.
So. Genug gekeift. Wo ist der Vorschlag? Hier kommt er: Heute bedürfte es einer schlagkräftigen, kanalübergreifenden Kommunikation. Leute mit Ideen, die Reichweiten generieren können. Ideenreich, meinungsstark. „Influencer“? Von mir aus, auch wenn der Begriff ein bisschen abgenutzt daherkommt. „Netzwerker“? Auf jeden Fall. Besser noch: „Weinbotschafter“! Es reicht nicht mehr, hübsch auszusehen und die Alten machen zu lassen. Darum sind wir ja heute, wo wir sind. Die Seilschaften haben ausgedient. Es reicht nicht mehr, dass die Ewiggleichen zusammensitzen und sich gegenseitig schulterklopfend Märchen beibringen, die an ein Pfeifen im dunklen Tann gerieren.
Funktionierende „Weinbotschaften“ abzusetzen bedeutet Professionalität. Das ist mehr als „guter Wille“. Das Ehrenamt in allen Ehren, aber an der Vermarktung zu sparen ist wohl die schlaueste Idee … nicht! Sucht Euch Profis, adelt die mit einem Phantasietitel, aber lasst die vor allem Zielgruppen aufdecken und besenden. Wein verkaufen. Darum geht es. Punkt.